Sammy Blum
Veröffentlicht am 20. November 2025
Am 12. November 2025 gastierten wir mit unserem Bühnenstück „Davon geht die Welt nicht unter“ im Rahmen der SchUM-Kulturtage im DAS WORMSER. Schon beim Betreten des Hauses war spürbar, dass dieser Abend mehr sein würde als eine unterhaltsame Vorstellung. Das moderne Kultur- und Veranstaltungszentrum, das sich als „Haus für alle“ versteht, bot einen offenen Rahmen, in dem Geschichte und Gegenwart ganz selbstverständlich nebeneinander stehen – und miteinander in Dialog treten.
„Davon geht die Welt nicht unter“ führt in die Welt der 1920er Jahre – eine Epoche voller künstlerischer Freiheit, Experimentierlust und Aufbruchsstimmung, aber auch voller Risse, Unsicherheit und aufziehender politischer Extreme. Die Inszenierung verbindet die Leichtigkeit von Musik, Kabarett und Humor mit der klaren Erkenntnis: Diese Dekade war nicht nur glänzendes Parkett, sondern auch brüchiger Boden.
Unser Ensemble – Marianne Blum, Anna Maria Haas und Thomas Linke – spielte sich mit sichtbarer Freude und hoher Präzision durch diese schillernde und zugleich gefährdete Welt. Heitere Szenen, pointierte Dialoge und musikalische Einlagen sorgten immer wieder für befreites Lachen im Saal. Doch dieses Lachen stand nie unverbunden im Raum: Hinter dem Witz schimmerten historische Schatten, Andeutungen von Entwicklungen, die wir heute als Vorzeichen des Faschismus kennen.
Gerade diese Mischung aus szenischer Leichtigkeit und inhaltlicher Schärfe machte den Abend im DAS WORMSER so intensiv. Die 1920er Jahre erschienen nicht als ferne Epoche, sondern als Spiegel, in dem sich unsere eigene Zeit unvermittelt zeigte.
Viele Besucher:innen beschrieben im anschließenden Austausch, dass sie sich an diesem Abend unweigerlich Fragen gestellt hätten: Wie stabil sind unsere demokratischen Strukturen wirklich? Ab wann kippt politische Sprache in Ausgrenzung? Wie schnell kann aus Müdigkeit und Gleichgültigkeit eine gefährliche Normalisierung von Extremismus werden? Diese Fragen waren nicht Teil des Textbuchs – aber sie lagen in der Luft, zwischen den Szenen, zwischen den Zeilen.
Die 1920er Jahre gelten in der Rückschau als Glanzzeit, als „Goldene Zwanziger“. Zugleich wissen wir heute, dass diese Phase in vielen Ländern Europas den Boden für das Erstarken faschistischer Bewegungen bereitete. Genau diese historische Doppelgesichtigkeit nimmt das Stück auf.
Wenn im Verlauf des Abends gesellschaftliche Spaltungen, wirtschaftliche Unsicherheit und politische Radikalisierung aufscheinen, dann wirkt das nicht wie eine ferne Lektion im Geschichtsbuch. Es erinnert an Debatten, die wir heute führen: über Hassrede, über antidemokratische Tendenzen, über den schleichenden Verlust von Respekt und Differenzierung. „Davon geht die Welt nicht unter“ legt den Finger behutsam, aber bestimmt auf diese Parallelen, ohne den Zeigefinger zu erheben.
Im Kontext der SchUM-Kulturtage erhielt diese Perspektive eine besondere Intensität. Worms ist eine Stadt, in der jüdische Geschichte sichtbar und spürbar ist. Die Kulturtage erinnern daran, wie reich jüdisches Leben Europa geprägt hat – und wie brutal es durch den Nationalsozialismus zerstört wurde. Ein Stück zu spielen, das aufzeigt, wie schnell vermeintlich stabile Verhältnisse kippen können, war in diesem Rahmen mehr als eine künstlerische Entscheidung: Es fühlte sich an wie ein bewusstes Zeichen.
In Worms zeigte sich genau das. Nach der Vorstellung ergaben sich zahlreiche Gespräche – über historische Bezüge, politische Entwicklungen und die Verantwortung, die jede Generation aufs Neue trägt. Viele erzählten, dass sie den Abend als unterhaltsam, aber gleichermaßen als ernsthaften Impuls erlebt hätten, sich mit aktuellen gesellschaftlichen Strömungen bewusster auseinanderzusetzen.
Der Auftritt im DAS WORMSER war für uns weit mehr als ein weiterer Termin im Tourplan. In einer Stadt, die mit ihrer SchUM-Geschichte für jüdisches Erbe und gelebte Erinnerungskultur steht, erhielt „Davon geht die Welt nicht unter“ eine zusätzliche Dimension. Der Abend wurde zu einem Dialog zwischen Bühne und Publikum, zwischen historischem Bewusstsein und heutiger Verantwortung.
Kulturveranstaltungen wie die SchUM-Kulturtage zeigen, wie wichtig es ist, Orte zu schaffen, an denen wir miteinander ins Gespräch kommen – jenseits von Schlagzeilen, jenseits von schnellen Urteilen. Theater kann dabei eine Rolle spielen, die über Unterhaltung hinausgeht: als lebendige Form demokratischer Kultur.
Wir danken dem Team des DAS WORMSER, den Organisator:innen der SchUM-Kulturtage und einem Publikum, das bereit war, sich auf diese Reise zwischen Mahnung und Magie einzulassen. Vielleicht geht von einem solchen Abend die Welt tatsächlich nicht unter – aber er kann dazu beitragen, dass wir wachsamer mit ihr umgehen.
Sechs Abende lang waren wir mit „Davon geht die Welt nicht unter“ im Theater Putbus auf Rügen zu Gast – mit energiegeladenen Vorstellungen, starkem Echo und vielen intensiven Begegnungen.
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Das Besondere an diesen Abenden war erneut die Mischung aus feinem Humor, pointierten Dialogen und Momenten leiser Nachdenklichkeit. Das Stück lebt von seinem doppelten Boden - es darf gelacht werden, und das wurde es auch. Das Publikum hat sich spürbar amüsiert, nicht zuletzt wegen der klug gesetzten Pointen und der szenischen Leichtigkeit, mit der historische Bezüge ins Heute geführt werden.
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